Kinofieber in der Thermometersiedlung
Filmschaffende zu Gast in der Thermometersiedlung (v.li.n.re): Heike-Melba Fendel, Sibylle Canonica
und Hansa Czypionka
Am ersten Septemberwochenende gab es großes Kino im Kiez: Die Firma Barbarella-Entertainment organisierte an zwei Tagen das Kino-Festival „Kinofieber Thermometersiedlung“. Es gab Workshops zum filmischen Geschichtenerzählen und zum Thema Casting, einen Kurzfilm-Spaziergang und eine große Open-Air-Kinovorführung auf dem Kiezplatz.
Workshops und ein außergewöhnlicher Rundgang
Das Festival startete ganz von vorn, mit grundsätzlichen Fragen: Wie lässt sich mit der Kamera eine Geschichte erzählen und wie wird man Schauspieler*in (Stichwort Casting)? In zwei Workshops gaben Profis ihr Wissen weiter und berichteten über ihre Erfahrungen aus der Filmbranche. Die Teilnehmemenden waren vor allem Kinder und Jugendliche aus der Thermometersiedlung, manche sogar mit dem Ziel, später einmal beim Film zu arbeiten.
Einige Stunden später, bei anbrechender Dunkelheit, folgte dann ein filmischer Rundgang durch den Kiez, aber nicht mit der Kamera, sondern mit dem Projektor: Die Initiative „shorts/salon“ der Videokünstlerin Anna Henckel-Donnersmarck und Sarah Schlüssel kam mit ihrem mobilen Kino in die Thermometersiedlung. An verschiedenen Orten zeigten sie auf einem mobilen Projektor an Häuserwänden, auf einem Spielplatz und anderen Flächen insgesamt sieben Kurzfilme. Nach und nach kamen immer mehr Leute hinzu. An jedem Ort wurde etwas Passendes gezeigt: An einer Hochhauswand der Film „Walls“, auf dem Spielplatz ein Film über die Pubertät.
Gemütliche Atmosphäre vor der Leinwand.
Jenseits der Stille auf dem Kiezplatz
Nach den Workshops und Kurzfilmen am Freitag folgte am Samstag dann das ganz große Kino: Barbarella Entertainment zeigte auf dem Kiezplatz den Film „Jenseits der Stille“.
Heike-Melba Fendel, Gründerin und Chefin von Barbarella-Entertainment, hatte das Konzept der Open-Air-Kinos ursprünglich für den Mehringplatz in Kreuzberg entwickelt. „Ich wohne dort in der Nähe und dachte, warum sollen immer nur die anderen was machen?“ Heike-Melba kommt vom Film, hat eine Menge Kontakte und das nötige Know-how. Es lag also nahe, dass ihr Engagement etwas mit Kino zu tun hat. Es folgte eine Umfrage im Mehringkiez, welche Filme die Menschen gerne sehen würden, und einige Zeit später gab es die erste Filmvorführung. „Das ging ziemlich chaotisch los. Es kamen Jugendliche, die die Aufführungen störten und die wenigen Zuschauer*innen standen während des Films auf. Die Menschen waren das nicht gewohnt.“ Drei Jahre später sieht die Lage anders aus. Zu den Filmabenden kämen bis zu 300 Menschen, viele fragten schon, wann es wieder weiter gehe, die Veranstaltungsreihe habe sich etabliert, so Heike-Melba. Ein Erfolgsfaktor ist fraglos, dass Barbarella Schauspieler*innen oder Regisseur*innen aus den gezeigten Filmen zu den Abenden live einlädt. Absoluter Publikumsmagnet ist Checker-Tobi, den vor allem jüngere Fernsehgucker aus dem Kinderkanal kennen.
In der Thermometersiedlung gab es im Vorfeld ein intensives Nachdenken darüber, welcher Film gut passen würde. „Wir haben uns für ‚Jenseits der Stille‘ von Caroline Link entschieden, weil der Film den Blickwinkel mehrerer Generationen zeigt. Es ist eine Familiengeschichte, die jeden berühren kann“, so Heike-Melba Fendel.
Erzählt wird die Geschichte der jungen Lara, die mit gehörlosen Eltern aufwächst. Irgendwann beschließt das Mädchen, Klarinette zu lernen und gerät dadurch in einen Konflikt mit ihrem Vater. „Jenseits der Stille“ ist nicht irgendein Film: Das Erstlingswerk von Caroline Link gewann zahlreiche Preise und wurde für einen Oscar als bester ausländischer Film nominiert.
Caroline Link konnte zwar nicht anwesend sein, sprach aber eine filmische Grußbotschaft an die Zuschauer*innen auf dem Kiezplatz. Gekommen waren indes Sibylle Canonica und Hansa Czypionka, die in „Jenseits der Stille“ mitspielten.
Die Klarinettistin Laura Müller spielte drei Stücke aus dem Film.
Kiezplatz als Kinosaal
Zuvor hatte das Barbarella-Team den Kiezplatz in einen Freiluft-Kinosaal verwandelt. Es waren mehrere Reihen Stühle im Halbkreis aufgebaut, davor erhob sich die große, aufblasbare Leinwand. Vorm Kieztreff konnten sich die Zuschauenden mit leckerem Essen versorgen, dass das Team des BusStops vorbereitet hatte.
Quartiersmanagerin Christine Piwek erzählte in ihrer Begrüßungsrede, wie es zu dem Kino-Event gekommen war: „Als das Quartiersmanagement hier anfing, haben wir die Menschen gefragt, was sie sich für die Thermometersiedlung wünschen. Ganz oft wurde der Wunsch nach Kunst und Kultur geäußert.“ Das erste Kulturprojekt, das das Quartiersmanagement aus Mitteln des Programms Sozialer Zusammenhalt finanziert, war „KulturKiez.Thermometer“, die Filmvorführungen sind nun das zweite. Dass es funktioniert, zeigte sich im Laufe des Abends: Zunächst sah es so aus, dass kaum Zuschauende kommen würden, zum Filmstart waren fast alle Plätze besetzt. Kurz bevor der Film startete, wurde ein kleines, aber feines Konzert geboten: Die Klarinettisten Laura Müller, Musikvermittlerin bei den Berliner Philharmonikern, spielte drei Stücke aus dem Film.
Nach der Filmvorführung konnten Fragen gestellt werden und - eine seltene Gelegenheit – man konnte sich mit den Schauspieler*innen unterhalten.
Wer beim „Kinofieber“ Lust auf mehr bekommen hat, muss nicht allzu lang warten. „Jenseits der Stille“ war erst der Auftakt, nächstes Jahr geht es mit mehreren Aufführungen weiter.
Das Projekt wird aus Mitteln des Programms Sozialer Zusammenhalt finanziert.